Bewerbung einmal anders

„Ich liebe Worte“ von Robert Pirosh

Sehr geehrter Herr:

Ich liebe Worte. Ich liebe fette, buttrige Worte wie träufeln, Sündenpfuhl, schmuddelig, schaurig. Ich liebe althergebrachte, eckige, sperrige Worte wie bockbeinig, kommod, Quacksalber, piesacken. Ich liebe zwielichtige, fadenscheinige Worte wie schlüpfrig, Leichenbestatter, aalglatt, abwickeln. Ich liebe elegante weltmännische V-Worte wie Bravour, Verve, Verleumdung, Vornehmheit. Ich liebe brüchige, spröde, knisternde Worte wie Splitter, Zwist, Keilerei, krustig. Ich liebe mürrische, schmollende, verdrießliche Worte wie brüten, Grobian, Geizhals, griesgrämig, Finsterling. Ich liebe elegante, blumige Worte wie übersommern, flanieren, paradiesisch, Elysium. Ich liebe sich windende, wurmige, mehlige Worte wie krümmen, winden, kringeln, kriechen. Ich liebe kichernde, giggelnde Worte wie Pupsen, Gurgeln, Blubbern, Rülpsen.

Ich liebe das Wort Drehbuchautor mehr als das Wort Werbetexter. Daher habe ich beschlossen, meinen Job in einer New Yorker Werbeagentur an den Nagel zu hängen und mein Glück in Hollywood zu versuchen. Aber bevor ich hier ins kalte Wasser gesprungen bin, war ich noch ein Jahr in Europa unterwegs, um zu studieren, nachzudenken und mir die Hörner abzustoßen.

Ich bin gerade von dort zurückgekehrt und liebe nach wie vor Worte.

Darf ich ein paar mit Ihnen wechseln?

Robert Pirosh …

Dieses einzigartige Bewerbungsschreiben stammt aus dem Jahr 1934 und zählt zu den wunderbaren Briefen, die Shaun Usher in seinen „Letters of Note“ liebevoll zusammengetragen hat. Verfasser ist Robert Pirosh, ein wortgewandter Werbetexter, der nach einem erfolgreichen Karrierestart lieber Drehbücher schreiben wollte. Die Bewerbung war übrigens erfolgreich. Fünfzehn Jahre danach erhielt er für seinen Film „Kesselschlacht“ den Oscar für das beste Originaldrehbuch.

Was gibt es von Robert Pirosh zu lernen? Erfolgreiche Bewerbungen heben sich ab vom Üblichen, sie sind konkret, erzählen Geschichten, erzeugen Bilder im Kopf und Gefühle im Bauch, wecken Neugier auf den Menschen hinter der Geschichte. Schon der erste Satz aus Piroshs Bewerbung macht neugierig. Anstatt mit Sätzen wie „Mit großem Interesse habe ich Ihre Anzeige in den New York Times gelesen“ zu langweilen, beginnt er mit  einem klaren Statement zu seiner Leidenschaft: „Ich liebe Worte“ – und illustriert diese mit wunderbaren Beispielen seiner Wortkunst. Es folgen ein paar knackige Referenzen, untergebracht in bescheiden Sätzen, formuliert in einer natürlichen Alltagssprache. Zum Schluss statt der üblichen Floskeln eine charmant formulierte Bitte, die man nur schwer abschlagen kann.

So oder so ähnlich möchten Sie Ihre nächste Bewerbung auch gerne schreiben? Das können Sie lernen. Im Bewerbungscoaching unterstütze ich Sie dabei, ihre ganz individuelle Lebens- und Jobgeschichte zu erzählen. Wahrscheinlich werden Sie dafür keinen Oscar bekommen. Aber gut möglich, dass Sie beim Unternehmen Ihrer Wahl zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

PS: „Letters of Note“ ist eine Sammlung von 125 der unterhaltsamsten, inspirierendsten und ungewöhnlichsten Briefe der Weltgeschichte. Das Buch basiert auf der gleichnamigen Website www.lettersofnote.com. Die deutsche Ausgabe ist beim Wilhelm Heyne Verlag München mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen.